Dieser Artikel erschient im Herbst 2018 in der Fachzeitschrift KOMMUNALMAGAZIN
Standortmanager und -marketer erhalten oft eine politische Vision und ein Vermarktungsziel mit auf ihren operativen Weg. Nach wie vor ein beliebtes Ziel: Gut verdienende Pendler und damit solvente Steuerzahler anzusprechen. Und dann geht es bereits los: Die richtigen Kommunikations- und Marketingkanäle werden ausgewählt und bespielt, um die Zielgruppe zu erreichen. Und nach wenigen Jahren realisiert man, dass das Ziel doch nicht so einfach erreicht wird, da der Wunsch Vater des Gedankens war. Sich ein Ziel zu setzen, ist eine Aufgabe. Die Frage, ob ein Standort die Bedürfnisse einer bestimmten Zielgruppe erfüllt, ist eine andere Frage.
Hier setzt die bedürfniszentrierte Standortentwicklung an. Diese baut auf den Prinzipien der Innovationsphilosophie des «Design Thinkings» auf. Die Philosophie ist gut 25 Jahre alt und entstand im Umfeld der Stanford University Kalifornien. Kritiker bezeichnen die Denkweise heute zuweilen als «alter Wein in neuen Schläuchen», womit sie nicht einmal ganz unrecht haben, denn sollte es nicht immer darum gehen, die Bedürfnisse von Nutzern und Kunden – in diesem Kontext: Bürger oder Unternehmen- voll und ganz zu treffen?
Die Denkweise behält trotzdem ihre Berechtigung, denn nicht wenige Quellen bestätigen, dass viele an sich gute Innovationen den Weg zur Zielgruppe nicht finden, weil sie deren Bedürfnisse nicht abzudecken vermögen. Oft dienen für die Entwicklung Marktforschungszahlen als Basis und man entwickelt «im stillen Kämmerlein».
Die Phasen der klassischen, linearen Entwicklung
Im Standortmarketing findet sich diese klassische Lehre noch oft. Um die Vision wird eine Marke konstruiert und man beginnt, über kommunikative Massnahmen eine Zielgruppe zu avisieren. Meist wird die «neue» Marke, das «neue» Erscheinungsbild aber zu wenig gut mit der seit Jahren gewachsenen und implizit gelebten Marke abgestimmt. Der Wunsch nach Neuem ist mehr als legitim. Denn wer möchte bspw. nicht gerne wertschöpfungsstarke Unternehmen am eigenen Standort haben? Wer wünscht sich nicht finanzstarke Familien in der Gemeinde? Doch was lockt bspw. eine margenstarke Firma an einen Standort? Oft sind es harte Faktoren, doch diese lassen sich nur schwer verändern. Eine geografische Lage ist gegeben oder eine Hochschule kann nicht mal kurz vor Ort gebaut werden. Aber an weichen Faktoren lässt sich arbeiten. Und genau dort setzt die kreative Standortentwicklung als Positionierungssteuerung an. Standortentwicklung in fünf Stufen Die Denkweise, die – wie bereits erwähnt – auf den Prinzipien des Design Thinkings aufbaut, bedeute
t nicht, am Standort Design-Gebäude zu bauen. Vielmehr geht es darum, die Reise von der Vision zum Produkt mit einer agilen Arbeitsweise zu gestalten. Der Entwicklungsprozess findet zudem nicht linear, sondern iterativ statt. Es ist bewusst erwünscht, zwischen den einzelnen Phasen zu springen, Ideen auszutesten oder Prototypen zu verbessern.
Die fünf Phasen der bedürfniszentrierten Entwicklung
Empathie Diese Phase lässt sich auch als Recherche-Phase betiteln. Mit dem Begriff «Empathie» liegt man insofern richtig, weil es nicht darum geht, mit Marktforschungszahlen und Statistiken zu arbeiten. Sondern darum, in die Welt der Zielgruppe einzutauchen. Sie zu «verstehen», sozusagen zum Sofort-Experten zu werden. Man beobachtet Verhaltensweisen der angepeilten Zielgruppen, fragt sie nach ihren Erlebnissen, Wünschen, zieht Analogien aus anderen Bereichen. Das alles geschieht nicht mit wissenschaftlich basierten Interviews, sondern ganz im Sinne des agilen Arbeitens mit wenigen, einfachen Gesprächen und Beobachtungen.
Fokus In der Fokus-Phase fasst man die meist umfassenden Erkenntnisse zusammen und schliesst mit konkreten Fragestellungen ab.
Ideen In der Ideenphase wiederum werden kreative und innovative Lösungsansätze gesucht, wie man die Fragestellungen, die in der Fokusphase definiert wurden, beantworten könnte. Kreativ könnte z.B. im Kontext mit Standortentwicklung heissen, dass es nicht immer eine neue (teure) Buslinie benötigt, um ein entstehendes Areal zu bedienen. Wieso nicht ein Shuttle-Service in den Stosszeiten, der von Pensionären oder Arbeitssuchenden bedient wird? Oder ein Sharing-Service für Elektroautos? Ein Bike-Rental-Angebot während den Sommer-Monaten?
Prototyping In dieser Phase geht es nicht darum, voll funktionsfähige Prototypen zu bauen. Sondern im Sinne eines «Rapid Prototypings», Ideen fassbar zu machen. Neben Produkten können hier auch problemlos Dienstleistungen und Prozesse prototypisiert werden.
Verbesserung
Angefasst ist halb verkauft! Eine uralte Verkaufsweisheit. Doch hier wird (noch) nichts verkauft. Ideen werden über die einfach und schnell gebauten Prototypen ausgetestet und so lange verbessert, bis sie dem Bedürfnis der Zielgruppe entsprechen. Und erst danach geht es dann in die Realisierungsphase.
Ein Umweg, der sich lohnt!
Ein bestehendes Produkt für eine neue Zielgruppe zu vermarkten, benötigt finanzielle und personelle Ressourcen, doch ist meist ohne grösseren Aufwand zu bewerkstelligen. Einen Standort vor der Vermarktung zuerst auf die Bedürfnisbefriedigung der jeweiligen Zielgruppe zu überprüfen und dahingehend zu entwickeln, dass «Produkt» und «Zielgruppe» perfekt zueinander passen, bedeutet Mehraufwand. Manchmal ein beachtlicher Aufwand. Doch der Umweg lohnt sich immer, denn ein Produkt, das genau auf die Anforderungen einer Zielgruppe passt, ist immer stärker als die witzigste Kommunikationskampagne, die mehr verkauft als sie liefert. Eine bedürfnisgerechte Standortentwicklung lohnt sich auch deshalb, weil sie viele kleine Alleinstellungsmerkmale aufbaut. In der Summe ergibt sich mit der Zeit eine einzigartige Positionierung, was im hart umkämpften Standortmarkt Gold wert ist.
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