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AutorenbildMarkus Müller

Die gelebte Marke

Aktualisiert: 24. Juni 2020

Eine kleine, fiktive Fallstudie, die aufzeigen soll, dass es nicht reicht, nur ein schönes Logo oder eine tolle Marke für den Standort aufzubauen. Dieser Artikel erschien im Sommer 2019 im Fachmagazin immoinvest Die Vorgeschichte Die Region – nennen wir sie Musterland – ist eine in ein ländliches Umfeld eingebettete Agglomeration mit einer Zentrumsstadt von rund 25’000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Die gesamte Agglomeration beheimatet rund 60'000 Personen. Die Region wagt nun einen Schritt in die Zukunft und hat in eine gemeinsame Standortmarketing-Organisation investiert. Sie vergibt das entsprechende Mandat an eine Persönlichkeit, die in der regionalen Wirtschaft und Politik bekannt und geschätzt ist. Sowohl die ansässige Wirtschaft mit deren Verbänden (Industrie-, Handels- und Gewerbeorganisationen) als auch die knapp 20 Gemeinden umfassende Region geben eine Verpflichtungserklärung ab und beteiligen sich in einer zeitgemässen Public-Private-Partnership an der Organisation. Der neue Standortmarketer erhält sogleich den Auftrag, der Region eine attraktive Marke mit modernen, zukunftsgerichteten Werten zu «verpassen». Dies tut er zusammen mit einer anerkannten Branding-Agentur. Der Auftritt der «neuen» Region ist erfrischend und vermittelt das Bild eines innovativen, offenen und liberalen Standorts. Obwohl dies eine fiktive, für diesen Artikel erfundene Ausgangslage ist… in der kleinräumigen Schweiz dürften einige Standortmarketing-Organisationen so oder ähnlich institutionalisiert worden sein. Dies die Vorgeschichte. Nach dem Aufstieg kommt die Stagnation Beim Marken-Aufbau in dieser Fallstudie wird übrigens Vieles richtig gemacht! Die Investoren sprechen bereits nach einem guten Jahr sehr positiv auf die Marke an und nach etwas mehr als fünf Jahren hat die Region in der Ansiedlung von Firmen und Privatpersonen schon recht beachtliche Erfolge aufzuweisen. Doch ab dem verflixten siebten Jahr beginnt das «Aufwärts» zu stagnieren. Die Organisation verliert in der Region schleichend an Rückhalt, obwohl ihr Ansehen bei Investoren und externen Partnern immer noch sehr gut ist. Was ist hier passiert? Es wurde in dieser Region zwar motiviert und erfolgreich in eine neue Marke investiert. Was allerdings nie berücksichtigt wurde, war die Einstellung der ansässigen Unternehmen und Bürger*innen zu den Werten der neuen Marke. Die gelebten Grundwerte der Region waren nämlich eher konservativ. Mehr und mehr biss sich die liberal und offen auftretende Marke (mit dem entsprechenden Markenverhalten der Standortmarketing-Organisation) mit den effektiv gelebten Werten in der Region. Die Region entfremdete sich – salopp gesagt – immer mehr von der Marke. Nachvollziehbar, denn die gelebten Werte der Bürger*innen und Organisationen sind über Jahrzehnte entstanden und gefestigt worden. Leider übertrug sich die «Entfremdung» immer mehr auch auf die Vermarktungs-Organisation. Deren anfänglicher guter Ruf litt. Analogien und Ungleichheiten zur Wirtschaft In einem Unternehmen wird begleitend zum Aufbau einer neuen Marke mit frischen Werten richtigerweise ein Veränderungsprozess aufgesetzt. Die neuen Werte werden intensiv nach innen kommuniziert und mit vielen kleineren und grösseren Massnahmen werden «Stakeholder» in der Organisation an die neuen Werte herangeführt. Manchmal kommt es vor, dass man sich von einzelnen Akteuren trennen muss, damit ein solcher Veränderungsprozess erfolgreich wird. Viele Elemente eines solchen Veränderungsprozesses gelten im Standortmanagement genauso. Doch sie sind wesentlich komplexer anzuwenden und umzusetzen. Von ansässigen Firmen, die sich schlecht mit neuen (Marken-)Werten identifizieren, kann man sich schlecht trennen. Bürger*innen, welche die Werte einer neuen Regionsmarke nur schwer vertreten können und wollen, kann man auch nicht einfach entlassen. Standortentwicklung und Veränderungs-Management als Aufgabe im Standortmanagement Und nun kommt unser Standortmarketer wieder ins Spiel. Der Name sagt es… der Marketer vermarktet die Region. Aber kann/muss/darf er auch die Rolle eines Standort- und Change Managers einnehmen? Hat er die Legitimation und das Wissen in das komplexe und naturgemäss träge «System» einer Region einzugreifen? Ist er in der Lage, Veränderungen im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umfeld zu initiieren? Und kann er eine eher konservative Region in einen innovativen, offenen und liberalen Standort transformieren? Und dies erst noch innert einer nützlichen Frist?

Illustration: Vier Rollen im Standortmanagement

In der Regel nicht, denn die vier Rollenbilder im Standortmanagement (siehe obige Illustration) können kaum von einer einzigen Person ausgefüllt werden. Standortmanagement ist eine komplexe Aufgabe. Das sollte beim Aufbau einer (neuen) Marke berücksichtigt werden. Seit Jahrzehnten existierende Werte können nicht einfach so über den Haufen geworfen werden. So sollte eine neue Marke entweder auf bestehende Werte aufbauen. Oder aber, der Standort muss sanft an die Werte einer neuen Marke herangeführt werden. Ob diese Aufgabe durch einen Standortmarketer wahrgenommen werden kann oder muss, ist fraglich. Und doch muss die Rollenverteilung unbedingt berücksichtigt werden, damit am Ende des Tages eine Marke auch funktioniert und mit den gelebten Werten eines Standorts korreliert.

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